Verlässliche Daten im digitalen Zeitalter
In einer zunehmend digitalen Welt wächst der Bedarf an verlässlichen Daten – und mit ihm die Bedeutung der Wirtschaftsprüfung. Jörg Hossenfelder, Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens Lünendonk & Hossenfelder, beleuchtet in diesem Beitrag die entscheidende Rolle, die Wirtschaftsprüfer bei der Sicherstellung von Datenintegrität und Transparenz spielen. Er gibt Einblicke, wie moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz und Big Data den Prüfungsprozess verändern und welche neuen IT-Kompetenzen für die Zukunft der Branche unverzichtbar sind.
Herr Hossenfelder, in einer zunehmend digitalisierten Welt wird der Umgang mit Daten immer komplexer und der Bedarf an verlässlichen Informationen wächst. Welche Rolle kommt dem Wirtschaftsprüfer in dieser Entwicklung zu?
In einer digitalisierten Welt übernehmen Wirtschaftsprüfer eine Schlüsselrolle als vertrauenswürdige Partner für Unternehmen und tragen zur Sicherstellung der Datenintegrität und Transparenz bei. Sie nutzen Technologien wie KI und Big-Data-Analysen, um große Datenmengen effizient zu verarbeiten und fundierte Prüfungsurteile zu fällen. KI hilft dabei, Anomalien in Transaktionen zu erkennen und die Prüfungsqualität zu erhöhen. Dennoch: Die KI ist ein Hilfsmittel und die menschliche Expertise bleibt unerlässlich, besonders bei der Beurteilung komplexer Sachverhalte und der Ableitung strategischer Empfehlungen.
Die Sicherstellung der Datenqualität erfordert ein tiefes Verständnis für Datenmanagement, -analyse und die Funktionsweise von KI-Systemen. Entscheidend bleibt die kontinuierliche Prüfung der Datenquellen auf Genauigkeit und Vollständigkeit sowie die kritische Hinterfragung der Ergebnisse.
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In welchen Bereichen der Wirtschaftsprüfung wird KI aktuell am häufigsten eingesetzt, und welche weiteren Anwendungen sind absehbar?
Aktuell bietet die automatisierte Belegverarbeitung bei den Mandantenunternehmen großes Potenzial. KI-Systeme helfen, Rechnungen zu lesen, Daten zu klassifizieren und mit Buchungen abzugleichen. Auch die Betrugsaufdeckung profitiert von Machine-Learning-Modellen. Bei der Analyse und Interpretation großer Datenmengen unterstützt KI Wirtschaftsprüfer dabei, Muster und Trends schneller zu erkennen. Prüfer nutzen zunehmend auch die automatische Texterstellung durch generative KI-Modelle, beispielsweise für Prüfberichte und Zusammenfassungen.
Eine aktuelle Lünendonk-Erhebung zeigt, dass 50 Prozent der Unternehmen, die KI nutzen, diese für Datenanalysen und Automatisierung einsetzen – insbesondere zur Interpretation von Finanzdaten und zur Erstellung von Prüfungsberichten. In Zukunft könnten KI-gestützte prädiktive Analysen eine noch größere Rolle spielen, indem sie Wirtschaftsprüfern ermöglichen, Risiken oder finanzielle Engpässe frühzeitig zu identifizieren. Eine weitere potenzielle Entwicklung ist die Echtzeit-Überwachung von Unternehmensprozessen, bei der die KI verdächtige Transaktionen in Echtzeit analysiert und meldet.
Im ESG-Reporting könnte KI verstärkt eingesetzt werden, um große Mengen nicht-finanzieller Daten effizient auszuwerten und die Berichterstattung zu standardisieren. Während der Einsatz von KI in der Wirtschaftsprüfung derzeit noch auf bestimmte Teilbereiche beschränkt ist, könnte in den kommenden Jahren eine tiefere Integration erfolgen. Intelligente KI-Plattformen könnten dabei als digitale Assistenten den Prüfungsprozess grundlegend transformieren.
Laut Lünendonk-Studie nutzen bereits 34 Prozent der Unternehmen KI im Rechnungswesen. Welche Chancen und Herausforderungen sehen die befragten Unternehmen?
KI automatisiert Buchungen, Belegverarbeitung und Abstimmungen, reduziert Fehler und ermöglicht tiefere Einblicke in Finanzdaten. Besonders in der Jahresabschlusserstellung kann sie Qualität und Verlässlichkeit verbessern.
Allerdings gibt es Herausforderungen: KI-Modelle müssen mit hochwertigen Daten trainiert werden, um fehlerhafte Ergebnisse zu vermeiden. Auch Datenschutz spielt eine große Rolle, da KI-gestützte Systeme häufig mit sensiblen Unternehmensdaten arbeiten. Zudem erfordert der KI-Einsatz eine Veränderung in den Arbeitsweisen – Mitarbeiter müssen geschult und befähigt werden, mit neuen Technologien umzugehen. Laut Lünendonk-Studie gilt mangelnde Qualifikation als größte Hürde für die erfolgreiche Integration von KI in bestehende Prozesse.
Mit der verstärkten Nutzung von KI entstehen zudem neue Rollen in Unternehmen. Datenanalysten, KI-Experten und IT-Sicherheitsspezialisten gewinnen an Bedeutung, während traditionelle Finanzfunktionen zunehmend automatisiert werden. Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsprüfung und Unternehmen verändert sich, da Wirtschaftsprüfer ebenfalls zunehmend KI einsetzen, um Risiken zu analysieren und gezielte Beratung zu bieten.
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Welche IT-Kompetenzen werden für Prüfer in Zukunft unverzichtbar sein, um die Verlässlichkeit von Daten sicherstellen zu können? Braucht es eine spezialisierte Ausbildung?
Die zunehmende Bedeutung von KI verändert das Berufsbild des Wirtschaftsprüfers grundlegend. Kompetenzen in den Bereichen Datenanalyse, Machine Learning, Prozessautomatisierung und Cyber Security werden dabei entscheidend werden. Wirtschaftsprüfer müssen ein Grundverständnis für KI-Modelle entwickeln, um deren Ergebnisse hinterfragen und interpretieren zu können – auch um Vertrauen bei Mandanten und Stakeholdern zu schaffen.
Eine enge Zusammenarbeit mit IT-Experten und kontinuierliche Weiterbildung sind daher unerlässlich. Eine spezialisierte Ausbildung in IT-gestützten Prüfungsverfahren und KI-Modellen ist dringend anzuraten. Dies könnte durch Anpassungen in den Wirtschaftsprüfer-Examina oder duale Studiengänge mit Fokus auf Data Science erfolgen.
Auch Quereinsteiger aus IT, Data Science oder IT-Security könnten eine größere Rolle spielen. Eine Öffnung des Gesellschafterkreises von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften für IT-Spezialisten könnte helfen, technologische Kompetenzen direkt im Unternehmen zu verankern und den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten. Das würde nicht nur das Leistungsportfolio der Kanzleien erweitern, sondern auch neue Perspektiven in die Wirtschaftsprüfung bringen.
