Periodenverschiebung in der Umsatzsteuer
Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 23.02.2023 – V R 30/20) wird die Erhebung von Festsetzungszinsen gemäß § 233a AO, die oft zusammen mit Umsatzsteuernachforderungen des Finanzamts zu Lasten des Unternehmers auftreten, eingeschränkt. Bisher genügte es für die Entstehung dieser Zinsen, wenn der Unternehmer seinen Umsatz für einen späteren Voranmeldungszeitraum angibt, als gesetzlich vorgeschrieben ist.
Sachverhalt
Die Klägerin reichte für die Jahre 2009 bis 2013 regelmäßige monatliche Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein und ordnete ihre erklärten Umsätze stets dem Monat der Rechnungsstellung zu, obwohl 90 Prozent ihrer erbrachten Leistungen bereits im Vormonat stattfanden. Nach einer Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2011 wurden diese verspätet erklärten Umsätze zeitlich korrekt dem entsprechenden Vormonat zugeordnet. So geschah dies auch jahresübergreifend, indem die Außenprüfung 90 Prozent der für Januar erklärten Umsätze für den Dezember des Vorjahres festsetzte. Diese Anpassungen führten zu einer entsprechenden Neufestsetzung der Umsatzsteuer für die genannten Streitjahre, wobei das Finanzamt Festsetzungszinsen gemäß § 233a AO erhob.
Die Klägerin forderte einen Erlass der Zinsen, da sie diese als unverhältnismäßig ansah. Aufgrund der Verschiebung um lediglich einen Monat habe sich nach Ablauf der 15-monatigen Karenzfrist gemäß § 223a Abs. 2 Satz 1 AO kein Liquiditätsvorteil mehr ergeben. Dies rechtfertige einen vollständigen Erlass der Zinsen. Alternativ beantragte sie zumindest den Erlass der Zinsen, die über 0,5 Prozent pro Zinsbescheid (Zinsen für einen Kalendermonat) hinausgehen, da der Liquiditätsvorteil jeweils nur für einen Monat bestand.
Entscheidung des BFH
Nach § 233a AO sollen keine Zinsvorteile abgeschöpft werden, die in Wirklichkeit nicht existieren. Es sei von Bedeutung, dass der Liquiditätsvorteil einer um einen Monat verzögerten Steueranmeldung durch die Zahlung der für den Folgemonat angemeldeten Steuer wieder ausgeglichen wird. Die Umsatzverschiebungen werden somit wieder neutralisiert. So wird die Steuernachforderung für Dezember 2009 durch die Steuererstattung im Januar 2010 ausgeglichen, auch wenn es für Januar 2010 zu keiner tatsächlichen Steuererstattung kommt. Es sei unerheblich, dass die korrekten Januar-Umsätze, die nun im Rahmen der Außenprüfung in den Dezember verschoben wurden, durch Februar-Umsätze kompensiert werden, die wiederum korrekt in den Januar verschoben werden.
Selbst mehrere aufeinanderfolgende jahresübergreifende Umsatzverlagerungen sollen dem Erlass von Nachzahlungszinsen nicht entgegenstehen. Die §§ 163, 227 AO gestatten demnach grundsätzlich ein Ermessen seitens des Finanzamts. Dieses Ermessen sollte jedoch im Sinne des Zwecks der Verzinsungsnorm ausgeübt werden, sodass ein Zinserlass zumindest in dem Maße gewährt werden soll, in dem kein Liquiditätsvorteil besteht. Der Bundesfinanzhof (BFH) ermöglicht jedoch eine Ermessensausübung, die zu einem weitergehenden Zinserlass führen kann. Daher könnte das Finanzamt trotz eines einmonatigen Liquiditätsvorteils die Zinsen vollständig erlassen, wenn zum Ablauf der 15-monatigen Karenzfrist gemäß § 233a Abs. 2 Satz 1 AO tatsächlich kein Liquiditätsvorteil mehr vorhanden ist.
Auswirkungen auf die Praxis
Die Periodenverschiebung von Umsatzsteuer ist in der Unternehmenspraxis ein alltägliches Phänomen. Für Unternehmer, die infolgedessen mit Festsetzungszinsen konfrontiert werden, ist es ratsam, einen Billigkeitsantrag gemäß §§ 163, 227 AO zu erwägen.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs bringt folgende wichtige Erkenntnisse für die Praxis:
- Festsetzungszinsen gemäß § 233a AO dürfen nur für solche Zeiträume erhoben werden, in denen der Unternehmer tatsächlich einen Liquiditätsvorteil hatte.
- Wenn für Zeiträume, in denen der Unternehmer keinen Liquiditätsvorteil hatte, dennoch gemäß § 233a AO Zinsen festgesetzt sind, ist ein Erlass zu gewähren. Die Dauer der Periodenverschiebung über mehrere Monate und Jahre hinweg ist dabei nicht schädlich.
- Der BFH hat noch keine Entscheidung in Bezug auf Situationen getroffen, in denen Festsetzungszinsen für einen Besteuerungszeitraum und Erstattungszinsen für einen anderen Besteuerungszeitraum anfallen.
- Betroffene Unternehmer sollten idealerweise frühzeitig einen entsprechenden Billigkeitsantrag gemäß §§ 163, 227 AO stellen, vorzugsweise bereits vor dem Erlass eines Zinsbescheids.
Autor: StB Jonas Liermann, ETL WRG