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Insolvenzrechtliche Anfechtung uralter Mietforderungen

Goodbye Common Sense
Insolvenzrechtliche Anfechtung uralter Mietforderungen
Aktuelles
10.12.2024 — Lesezeit: 4 Minuten

Insolvenzrechtliche Anfechtung uralter Mietforderungen

Goodbye Common Sense

Eine aktuelle Entwicklung sorgt derzeit in der Immobilienbranche für Aufmerksamkeit: Große Asset Manager erhalten Rückforderungsschreiben von Insolvenzverwaltern, die Zahlungen aus Mietverhältnissen von vor bis zu acht Jahren anfechten. Die erste Reaktion vieler Vermieter? Ungläubiges Kopfschütteln. Doch ob tatsächlich eine Rückzahlungspflicht besteht, hängt von komplexen insolvenzrechtlichen Regelungen ab – und hat oft wenig mit gesundem Menschenverstand zu tun.

Case Study

Ein typischer Fall zeigt die Problematik: Ein Mietvertrag über eine 360 qm große Ladenfläche lief von September 2013 bis August 2018. Die monatliche Bruttomiete betrug rund TEUR 15, und die Mietsicherheit lag bei TEUR 45.

Im August 2017 begann sich das Zahlungsverhalten des Mieters zu verschlechtern. Die Miete für Oktober bis Dezember 2017 blieb zunächst aus. Der Vermieter mahnte und drohte mit Kündigung. Daraufhin glich der Mieter Anfang Januar 2018 die rückständigen TEUR 45 aus und zahlte anschließend wieder pünktlich.

Im August 2018 zog der Mieter aus, etwas später erhielt er die Mietsicherheit zurück. Mehr als zweieinhalb Jahre nach Ende des Mietvertrages, im April 2021, stellte der Mieter einen Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wurde im Juli 2021 eröffnet.

Im Juli 2024 erhielt der Vermieter ein Schreiben des Insolvenzverwalters. Dieser forderte nach § 133 InsO die Rückzahlung von TEUR 45 und focht die verspätete Zahlung der Miete für Oktober bis Dezember 2017 an.

Der Verwalter argumentierte, der Mieter sei im Januar 2018 zahlungsunfähig gewesen, und der Vermieter habe dies aufgrund der rückständigen Mieten auch gewusst. Zur Begründung berief er sich auf die retrograde Feststellung der Zahlungsunfähigkeit durch einen anerkannten Wirtschaftsprüfer.

Vorsatz nicht erforderlich – Die Hürden der Anfechtung

Die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO klingt für Laien oft so, als wäre ein kollusives Zusammenwirken zwischen Schuldner und Gläubiger notwendig. Doch tatsächlich liegt die Hürde aufgrund insolvenzrechtlicher Beweisregeln deutlich niedriger, als der Begriff vermuten lässt. Es reicht häufig bereits aus, wenn der Vermieter von erheblichen Zahlungsproblemen des Mieters wusste, um ein erhebliches Prozessrisiko zu schaffen.

Zwar hat der BGH 2022 die Vorsatzanfechtung in Teilen eingeschränkt, doch von einem vernünftigen Kompromiss sind wir nach wie vor weit entfernt.

Rückforderungen bis zu acht Jahre zurück

Nach § 133 InsO können Mieteingänge angefochten werden, die bis zu vier Jahre vor dem Insolvenzantrag liegen. Da zwischen Antrag und Eröffnungsbeschluss in der Regel drei Monate vergehen und der Anspruch erst drei Jahre nach Eröffnungsbeschluss zum Jahresende verjährt, ergibt sich eine erhebliche Rückwirkung. Diese erstreckt sich in der Praxis häufig bis in den Herbst 2016.

Die aktuelle Welle von Anfechtungsschreiben ist auf die drohende Verjährung aller Insolvenzverfahren aus dem Jahr 2021 zurückzuführen. Eine Kombination aus der 4-Jahres-Frist des § 133 InsO, der Verfahrensdauer und der allgemeinen Verjährung nach § 195 BGB sorgt hier für überraschende Rückgriffe.

Das Dilemma der Vermieter

Ein Vermieter hätte die angefochtene Zahlung zivilrechtlich nicht ablehnen dürfen, da sie wirksam war. Dies führte zum Entfall eines möglichen Kündigungsrechts, und die Mietsicherheit konnte nicht mehr in Anspruch genommen werden. Dass solche Zahlungen Jahre später insolvenzrechtlich angefochten und zurückgefordert werden können, erscheint kaum nachvollziehbar – besonders nach so langer Zeit.

Auch die für Mietrecht zuständigen Kammern haben dies kritisch gesehen und Anfechtungsklagen häufig abgewiesen. Seit 2021 landen diese jedoch vermehrt bei Insolvenzkammern, die wenig Hemmungen zeigen, die Bestandskraft zivilrechtlich wirksamer Zahlungen zu durchbrechen.

Mit klassischen mietrechtlichen Argumenten ist hier wenig auszurichten. Der Vermieter kann sich nur mit insolvenzrechtlichen Ansätzen wie dem Bargeschäft oder einer Entreicherung verteidigen. Die Situation wird noch komplizierter, wenn die Zahlung von einer anderen Konzerngesellschaft stammt – dies erschwert die Anwendung insolvenzrechtlicher Ausnahmen erheblich.

In jedem Fall ist eine insolvenzrechtlich versierte Beratung unerlässlich.

Die Experten unseres Branchencenters Real Estate stehen Ihnen bei allen Fragen gerne zur Verfügung.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Philipp Jebens ist Experte für Immobilienwirtschaftsrecht und Steuerrecht, Partner von ETL mensching plus und Gründungspartner der Kanzlei Jebens Mensching.

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