Neben meiner Vorliebe für Zahlen hat mich an dem Beruf begeistert, dass ich auch ohne ein Studium Berufsträgerin werden kann. Außerdem fand ich die Vorstellung furchtbar, einen Beruf zu ergreifen, an dem ich irgendwann „alles“ kann und in Monotonie ende. Die stetigen Veränderungen des Steuerrechts erschienen mir als Garant, dass ich immer weiterlernen kann. Welches Wirrwarr an Rechtsentwicklung das manchmal bedeutet, habe ich im jugendlichen Leichtsinn vielleicht etwas unterschätzt. Aber so wird es wenigstens nie langweilig.

Ein Meilenstein war die Erfüllung meines Kindheitstraums, Steuerberaterin zu werden. In der Vorbereitungszeit war mein Sohn im Kindergartenalter und ich habe wieder Vollzeit gearbeitet, um die Fortbildung zu finanzieren. Daher hatte ich auch keine Freistellungsphase vor dem Examen und den eigenen Druck, dass es im Idealfall im ersten Anlauf gelingt. Ich habe von Montag bis Donnerstag die Arbeitszeit vom Freitag eingearbeitet, um Freitag und Samstag zum Lernen zu haben. Der Sonntag gehörte dann nur meiner Familie. Rückblickend frage ich mich, wie das meine Ehe und Psyche ausgehalten haben. Aber es verdeutlicht vielleicht, wie sehr ich von meinem Umfeld aufgefangen und unterstützt wurde, was bis heute so ist.

In meiner Heimatstadt steht an einem Fachwerkhaus folgende Inschrift: „Geh deinen Weg und lass die Leute reden“. Das trifft es auf den Punkt. Gerade als mein Sohn klein war, fiel es mir schon schwer, die Meinung von anderen Müttern zu ignorieren, die einen anderen Weg als ich gewählt haben. Ich habe dann oft gedacht, wir sprechen uns in 20 Jahren wieder, wenn unsere Kinder groß sind. Das ist nun bald soweit und ich kann jetzt sicher sagen, dass es für meine Familie und mich der richtige Weg war. Wichtig ist, dass man sich selber gut fühlt bei dem, was man tut, und aus dem engsten Umfeld darin gestärkt wird.

Privat bin ich ein eher ruhiger Mensch und stehe nicht gerne im Mittelpunkt. Im Beruf bin ich gefühlt fast jeden Tag aufs Neue besonders mutig, wenn ich mich selber in Gesprächen positioniere, in denen fast immer ein höherer Männeranteil an Gesprächspartnern vorhanden ist. Dort meinen Standpunkt zu vertreten und die Dinge in die Richtung zu bewegen, wie sie für meinen Verantwortungsbereich wichtig sind, braucht Mut und kostet Kraft. Ich stelle aber auch fest, dass ich Übung darin bekomme, über meinen Schatten zu springen und mich mit jedem Gespräch und mit jeder Bühne mehr daran gewöhne.

Eindeutig Herzenssache. Wobei ich die Bezeichnung Führung nicht mag und das Wort vermeide. Ich möchte nicht traditionell führen, sondern den Menschen um mich herum helfen, ihre Stärken zu sehen, sie weiterzuentwickeln und sie dadurch befähigen, unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen.

Die ganze Welt betreffend? Da würde ich gerne eine Chancengleichheit bewirken. Nicht nur bei der Bildung, sondern bereits bei den Grundbedürfnissen wie Ernährung und Gesundheit. Dann wären der Startpunkt und die Möglichkeiten, die jeder Mensch hat, nicht davon abhängig, in welchem Land und unter welchen Bedingungen man aufwächst. Leider ein unerfüllbarer Wunsch.

Mein idealer Sonntag besteht aus Ruhe und Nähe, ganz meinem Naturell entsprechend. Ich starte recht früh zusammen mit unserem Kater auf der Terrasse, wenn meine Familie noch schläft. Diese Zeit des Innehaltens mit den Geräuschen der Natur aus dem naheliegenden Wald tut mir gut. Nach dem Frühstück mache ich mit meinem Mann und meinem Sohn einen kleinen Ausflug, wir besuchen Freunde oder stellen uns bei schlechtem Wetter einem Gesellschaftsspielemarathon. Zum Abend kochen wir gemeinsam und lassen den Tag, wieder auf der Terrasse, mit einem Glas Wein ausklingen.